Sachsen-Anhalt Reporter

Landrat im Harz warnt Landesregierung: Unmittelbare Gefahr für Naturschutzgebiet in Alexisbad und Gernrode durch alte Bergwerksstollen

Im Grubenwasser wurden neben Quecksilber und Cadmium vor allem Arsen gefunden.

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Der stillgelegte Stollen in Alexisbad

Update mit den aktuellen Entwicklungen:

Land reagiert: Krebsgefahr durch hohen Arsenanteil im Harzwasser

Alexisbad im Februar: Während überall der Schnee Zentimeter hoch auf den Feldern liegt, liegt vor einem alten Bergwerksschacht direkt an einer beliebten Wanderoute daumendick ein rostroter Schlamm. Passanten erzählen, wie eine rote Fontaine sei dieser aus dem alten Stollen direkt in den nur wenige Meter entfernten Fluss Selke geschossen. Knapp zwei Wochen später liegt dieser Schlamm noch immer wie ein roter Teppich vor dem alten Stollen. Fuß- und Pfotenabdrücke zeigen: Hier sind Menschen vorbei- und durchgelaufen. Bis zum Fluss reicht die Schlammspur, die sich dann in der Selke verliert. „Das ist nur Eisen, das passiert hier öfter“, sagt ein Spaziergänger unserem Radio Brocken Sachsen-Anhalt Reporter. Der Schein trügt jedoch: Bereits ältere Bodenproben hatten ergeben, Arsen, Blei, Mangan, Quecksilber und Cadmium werden regelmäßig aus den Stollen in die Selke gespült.

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Blick über die Selke zum stillgelegten Stollen in Alexisbad

Das bestätigte auch Gerhard Jost, Dezernatsleiter Altbergbau des Landesamtes für Geologie und Bergwesen, der in der vergangenen Woche den Umweltschaden in Alexisbad persönlich in Augenschein nahm. Und nicht nur hier fließen regelmäßig Schadstoffe in die Natur. Auch in Gernrode im Hagentalstollen muss giftiger Schlamm abgepumpt werden. Hier wurde sogenannter Flußspat abgebaut, der in der Eisenindustrie verwendet wird, aber auch zur Herstellung von Salzsäure. Jost zeigt unserem Reporter den alten Stolleneingang: „Hier geht es fast zwei Kilometer in den Berg. Schon Mitte der 90er wurden hier Schlammlawinen losgetreten, die dann durch Gernrode flossen. Teilweise konnte man die rotbraune Brühe bis Oschersleben in der Bode sehen.“ Im Berg steht der Schlamm fast bis zum Knie und es wurden Stege eingebaut, damit nicht weitere Lawinen losgetreten werden. Bereits seit Mitte Februar 2021 pumpt eine Firma den Schlamm ab, der dann nur noch Sondermüll ist. Die grünbraune Brühe ist auch im Mensingteich von Gernrode zu finden. Hier schwimmen die Enten und unter Ihnen das saure Wasser aus den Stollen.

Altbergbau ohne Rechtsnachfolge

Das Thema ist im Land Sachsen-Anhalt bekannt. Eine Diplomarbeit aus dem Jahr 2003 über den Zustand des Hagentalstollens berichtet bereits über Verunreinigungen des Steinbachs im Jahr 1992. Die Grube selbst wurde 1984 stillgelegt und sollte in diesem Zuge „verwahrt“ also so gesichert werden, dass kein Grubenwasser austritt. Dazu kam es jedoch in den Wirren der Wendejahre nicht. Der VEB Fluss- und Schwerspatbetrieb Werk Rottleberode übergab den Stollen an die Wasserwirtschaftsdirektion Saale Werra. Dieser wurde nach der Wende abgewickelt und der Stollen blieb ohne Rechtsnachfolger. Seitdem streitet sich das Land Sachsen-Anhalt (Umweltministerium) mit dem Land Sachsen-Anhalt (Wirtschaftsministerium) über die Kosten. Die Stolleneingänge befinden sich im Landesforst und sind damit Landesbesitz unter dem Dach des Umwelt- und Landwirtschaftsministeriums. Die Stollen selbst gehören niemanden, jedoch hat das Land eine eigene Bergbaubehörde, die wiederum dem Wirtschaftsministeriums zugeordnet ist. Der Boden gehört ebenfalls dem Land.

Grubenwasser und seine Folgen

Daten die uns vorliegen zeigen: Seit Jahren ist das Thema im Land bekannt. Im Grubenwasser wurden neben Quecksilber und Cadmium vor allem Arsen gefunden. In Alexisbad so viel, das ein als Heilbrunnen ausgewiesener Wanderbrunnen über Nacht demontiert wurde. Die Schlämme aus Alexisbad wurden über Jahre hinweg auf eine Deponie im Landkreis verbracht, diese lehnte aber nach Bodenproben die weitere Einlagerung ab. Jetzt wird alles als Sondermüll aufwändig entsorgt. Problem jedoch: Die Kosten trägt der Landesforst und nicht die Bergbaubehörde, obwohl das Land Eigentümer des Bodens ist. Damit verliert der Forst hunderttausende Euro, durch eine Entsorgung, die nicht deren Aufgabe ist. Die Entsorgungskosten liegen im sechsstelligen Bereich, die Sanierung des Bergwerks sogar im siebenstelligen. Auch der Landkreis hat in einem Schreiben an den Ministerpräsidenten um Unterstützung gebeten. Die Sanierungskosten schätzt der Kreis auf 3,5 Mio. Euro ein. Und er sieht Gefahr in Verzug, denn in einem Schreiben, das Radio Brocken ebenfalls vorliegt, weist Landrat Thomas Balcerowski hin:

„Von allen teilnehmenden Behörden wurde übereinstimmend bestätigt, dass vom Hagentalstollen eine unmittelbare Gefahr für den angrenzenden Hagentalbach und die nachfolgenden Gewässer ausgeht.“

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Der Hagentalstollen bei Gernrode

Radio Brocken untersucht den Boden

Wir haben vor Ort in Alexisbad und Gernrode mehrere Boden- und Wasserproben genommen und zusammen mit der Hochschule Magdeburg untersucht. Sobald das Ergebnis vorliegt, werden wir dieses hier veröffentlichen. Wir haben darüber hinaus den Landkreis, das Umweltministerium, das Wirtschaftsministerium, die Staatskanzlei sowie die Untere Wasser-, Naturschutz- und Abfallbehörde um eine Stellungnahme gebeten.

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Rötlich gefärbter Teich beim Hagentalstollen Gernrode

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