03. Juni 2025 – dpa Nachrichten

Justiz

Weniger Fälle im Täter-Opfer-Ausgleich

Eine Entschuldigung, eine Geldzahlung oder eine Arbeitsleitung als Wiedergutmachung statt eines Gerichtsverfahrens? Schlichtungsstellen machen es möglich - sie sind unterschiedlich stark gefragt.

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Der Täter-Opfer-Ausgleich wird in Sachsen-Anhalt seltener genutzt als vor zehn Jahren. (Symbolbild) , Foto: Bernd Wei�brod/dpa

Der Täter-Opfer-Ausgleich wird in Sachsen-Anhalt seltener genutzt als noch vor zehn Jahren. Bei dem Verfahren sollen Täter und Opfer einer Straftat mit der Hilfe eines Mediators gemeinsam eine Wiedergutmachung und Konfliktlösung erarbeiten. Dieses Verfahren ist für alle Seiten freiwillig und läuft außergerichtlich - ob es zustande kommt, darüber entscheidet in der Regel die Staatsanwaltschaft, anregen können einen Täter-Opfer-Ausgleich aber auch die Polizei, Rechtsanwälte oder die Betroffenen selbst.

Für den Täter bietet das Verfahren die Chance, Verantwortung für seine Tat zu übernehmen und sogar die Einstellung des Verfahrens zu erreichen. Das Opfer kann seine Gefühle und Ängste zum Ausdruck bringen und eine Wiedergutmachung erhalten.

In den vergangenen zehn Jahren ging die Zahl der Fälle von rund 900 auf 591 im Jahr 2024 zurück, wie der jüngste Jahresbericht zeigt. Zugleich würden die Fälle komplexer, sagte die Koordinatorin für den Täter-Opfer-Ausgleich in Sachsen-Anhalt, Jennifer Schmidt, vom Landesverband für Kriminalprävention und Resozialisierung. Das sei etwa der Fall, wenn es mehrere Täter gebe.

Meist regt die Staatsanwaltschaft einen Täter-Opfer-Ausgleich an

Der überwiegende Teil der Fälle ergibt sich aus Anregungen und Zuweisungen durch die Amts- und Staatsanwaltschaften. 2014 waren das noch 694 Fälle, im vergangenen Jahr 471.

Schmidt vermutet einen Grund für die Entwicklung im Generationenwechsel in den Staatsanwaltschaften. Im Studium sei der Täter-Opfer-Ausgleich noch immer zu wenig präsent. Bei Neueinstellungen von Juristen müsse jedes Mal über die Strukturen und Möglichkeiten informiert werden. Schmidt betonte, der Täter-Opfer-Ausgleich sei schon lange etabliert, trotzdem aber noch vergleichsweise unbekannt.

Wo sind die Fallzahlen stabil, wo sinken sie?

Regional gibt es sehr unterschiedliche Entwicklungen. In Dessau und Stendal etwa blieben die Zahlen 2024 auf einem ähnlichen Niveau wie 2014, heißt es im Bericht. An anderen Standorten gingen sie deutlich zurück - etwa in Halberstadt und Halle. In Halle stellte der zuständige Verein seine Arbeit 2018 ein, danach übernahm der Soziale Dienst der Justiz die Aufgaben. 13 Fälle gab es dort im vergangenen Jahr.

Das sagt die Staatsanwaltschaft Halle

«Die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, ein Ermittlungsverfahren nach Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs einzustellen, ist allen Dezernentinnen und Dezernenten der Staatsanwaltschaft Halle bekannt», erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Halle. «Die Behördenleitung weist regelmäßig auf diese Option der Verfahrensbeendigung hin.»

Von dieser Möglichkeit machten die Dezernenten in eigener Verantwortung und Entscheidungsfreiheit Gebrauch - und zwar dann, wenn sich ein Fall hierfür eigne. «Dies ist in der Regel bei Straftaten geringerer Schwere der Fall, wie etwa bei Beleidigungen, einfachen Körperverletzungen ohne gravierende Folgen oder ähnlichen Delikten.»

Nachforschungen vs. zügiger Abschluss des Verfahrens

«Voraussetzung ist dabei, dass ein ausgleichendes, für beide Seiten befriedendes Gespräch zwischen Täter und Opfer überhaupt realistisch erscheint und auf beiden Seiten die Bereitschaft dazu besteht», so der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Aus den Ermittlungsakten nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen sei das allerdings nur selten zu erkennen. Unter Umständen wären weitere Nachforschungen zur Geeignetheit des Falls erforderlich. «Diese wiederum können mit dem ebenfalls gebotenen zügigen Abschluss des Ermittlungsverfahrens in Konflikt geraten.»

Und auch auf eine weitere Möglichkeit weist die Staatsanwaltschaft hin: Häufig biete sich etwa eine Einstellung des Verfahrens gegen eine Zahlung zugunsten des Opfers an. «Auch auf diesem Wege kann zumindest ein ähnlicher Ausgleich erreicht werden.» In manchen Fällen sei es jedoch aus Gründen des öffentlichen Interesses geboten, Anklage zu erheben, um dem Täter im Rahmen einer öffentlichen Hauptverhandlung das Unrecht seiner Tat deutlich vor Augen zu führen.

Ergebnisse: Entschuldigung, Schmerzensgeld, Arbeitsstunden

Beim Täter-Opfer-Ausgleich werden den Daten zufolge etwa zwei Drittel der Fälle geschlichtet. Auf ein oder mehrere Gespräche kann eine Entschuldigung folgen.

2024 wurden in der Summe zudem 19.470 Euro Schmerzensgeld vereinbart sowie rund 45.800 Euro Schadenersatz. Auch Arbeitsleistungen für geschädigte Personen oder für Vereine oder Institutionen gehörten zu den Wiedergutmachungen.

In den meisten gescheiterten Fällen fehlte die Bereitschaft von Beteiligten zu diesem Verfahren. Bei den meisten Fällen (2024: 52,6 Prozent) ging es um Körperverletzungsdelikte. Oft stehen auch Diebstahl, Betrug oder Unterschlagung im Mittelpunkt.

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