13. November 2025 – dpa Nachrichten

Sachsen-Anhalt

Was für und gegen Klinik-Schließungen spricht

Weniger Krankenhäuser, aber dafür mehr Qualität? Die Schließung von Kliniken und eine anstehende Reform in Sachsen-Anhalt sorgen für Diskussionen. Welche Argumente gibt es für die möglichen Szenarien?

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Wie geht es in Zerbst weiter? (Archivbild)

Im Landkreis Anhalt-Bitterfeld wird weiter um die Zukunft des Krankenhauses in Zerbst gerungen. Es werde mit Nachdruck an tragfähigen und zukunftsorientierten Lösungen gearbeitet, teilte der Landkreis auf Anfrage mit. Man stehe in engem Austausch mit verschiedenen Institutionen, um gemeinsam Wege zu erarbeiten.

Das Helios-Klinikum in Zerbst soll in seiner bisherigen Form geschlossen werden. Der stationäre Betrieb wird voraussichtlich am 19. Dezember dieses Jahres eingestellt, wie der Konzern bekanntgab. Heute debattiert der Landtag über das Thema.

Derzeit gibt es in Sachsen-Anhalt 44 Krankenhäuser an 53 Standorten. Viele Kliniken sind in den vergangenen Jahren finanziell unter Druck geraten. Im nächsten Jahr steht eine Krankenhausreform an. Die meisten Politiker plädieren dafür, alle Standorte für die Gesundheitsversorgung zu erhalten - das muss jedoch nicht in jedem Fall ein Krankenhaus sein. Denkbar sind etwa Umwidmungen, aus manchen Kliniken könnte ein Medizinisches Versorgungszentrum werden.

Welche Argumente gibt es für und gegen die Schließung von Kliniken?

Pro: Mehr Behandlungsqualität durch Zentrenbildung

Krankenkassen und Klinikexperten werben schon sehr lange dafür, komplexe Eingriffe zu zentralisieren. Patienten sollen sich darauf verlassen können, dass die Kliniken nur Leistungen erbringen, für die sie viel Erfahrung, ausreichend Personal und die richtige Ausstattung haben. Je mehr Fälle einer bestimmten Art es an einem Standort gibt, desto höher ist die Behandlungsqualität, so der Ansatz.

Der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken legt für bestimmte Eingriffe sogenannte Mindestmengen fest. Das zeigt Wirkung: Operationen etwa an der Bauchspeicheldrüse oder zum Einsetzen künstlicher Kniegelenke sind im kommenden Jahr in weniger Krankenhäusern möglich als früher, wie aus einer Auswertung der AOK hervorgeht.

Auch ein von der Landesregierung in Auftrag gegebenes Gutachten kam zu einer solchen Empfehlung: Die Basisversorgung soll wohnortnah organisiert sein, schwere Fälle sollen stärker an großen Krankenhäusern konzentriert werden.

Pro: Geplante Reform ist besser als Wegbrechen von Standorten

Aufgrund der finanziellen Herausforderungen vieler Kliniken sind Reformen unumgänglich. Die Einrichtungen haben zuletzt Anträge eingereicht, welche Leistungen sie künftig anbieten wollen. Der Medizinische Dienst prüft das, bevor es zu einer Neuordnung kommen soll.

Indem Leistungen aufgeteilt werden, kann die Politik einen solchen Prozess gezielt beeinflussen. Wenn sich Träger wie Helios in Zerbst dagegen plötzlich zurückziehen, entstehen möglicherweise Versorgungslücken.

Ein weiterer Vorteil einer kontrollierten Neuordnung: Investitionen des Landes fließen dann vor allem in Standorte, die eine Zukunft haben.

Pro: Vieles kann heute ambulant gemacht werden

In Deutschland gibt es zum Teil deutlich mehr vollstationäre Krankenhausfälle pro Einwohner als in Nachbarländern. Blinddarmoperationen oder Leistenbruchoperationen müssten nicht immer vollstationär gemacht werden, appelliert der Klinikexperte Reinhard Busse schon seit Jahren. Der medizinische Fortschritt führe dazu, dass Menschen gar nicht ins Krankenhaus müssten oder dort kürzer seien könnten.

In Zerbst möchte Helios dort ansetzen und das ambulante Versorgungszentrum gegebenenfalls erweitern. Es soll eine Anlaufstelle für die Fachbereiche Gynäkologie, Orthopädie, Chirurgie, Gastroenterologie und Radiologie bieten. Ziel sei die Etablierung eines hochmodernen Gesundheitszentrums, «das dem Bedarf der Menschen vor Ort gerecht wird», sagte eine Helios-Sprecherin.

Pro: Personal gezielter einsetzen

Mit der Umstrukturierung hin zu mehr ambulanten Eingriffen und kürzeren Aufenthalten kann medizinisches Personal anders eingesetzt werden. Die Zahl der Beschäftigten in Kliniken ist laut dem Statistischen Landesamt in Sachsen-Anhalt in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen. 2023 waren es 5.728 Ärzte - rund 1.000 mehr als zehn Jahre zuvor. Ähnlich ist das beim Pflegepersonal. Gleichzeitig fehlt Personal in Praxen. Hier könnte es nach Meinung von Gesundheitsexperten zu einer Neuordnung kommen.

Contra: Längere Wege für die Patienten

Wenn Krankenhäuser nicht mehr alle Eingriffe übernehmen, führt dies zu längeren Fahrtzeiten für die Patienten. Insbesondere für ältere Menschen ist das herausfordernd. Der Vorsitzende des Verbands der kommunalen und landeseigenen Krankenhäuser Sachsen-Anhalt, Lutz Heimann, mahnt deshalb zu Augenmaß. Man brauche auch regionale Erreichbarkeit, nicht nur Zentralisierung, betont er.

Contra: Probleme bei der Notfallversorgung

Wenn Kliniken wegfallen, muss auch die Notfallversorgung im Land neu geordnet werden. Gegebenenfalls müssen Standorte von Rettungswachen, Rettungswagen und Hubschraubern überprüft und angepasst werden, damit bei Notfällen weiterhin schnelle Hilfe gewährleistet wird. «Gerade im ländlichen Raum brauchen wir das Haus», sagte der Zerbster Bürgermeister Andreas Dittmann im MDR. «Das müssen wir einfach hinbekommen, alles andere wäre eine Katastrophe.»

Contra: Unmut und Vertrauensverlust drohen

In ländlichen Regionen ist in den vergangenen Jahren schon vieles geschlossen worden - etwa Läden und Schulen. Wenn mit dem Krankenhaus der nächste Ankerpunkt zu verschwinden droht, ruft das oft Proteste hervor und kann zu einem Verlust von Vertrauen in die Politik führen.

Zudem sind Krankenhäuser auch Arbeitgeber. Für die Beschäftigten in Zerbst wird es unterschiedliche Wege geben. Für die meisten soll es laut Helios eine Weiterbeschäftigung am Standort oder im Helios-Netzwerk geben.

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