29. Juli 2025 – Radio Brocken
15% US-Zölle treffen Sachsen-Anhalts Exportwirtschaft hart. 134 Mio. Euro Verluste drohen. Chemie und Maschinenbau besonders betroffen.
Der neue Zoll-Deal zwischen EU und USA trifft Sachsen-Anhalts Wirtschaft hart. Mit 15 Prozent Zoll auf fast alle Exporte drohen Umsatzverluste von 134 Millionen Euro. Besonders betroffen sind die exportstarken Branchen Chemie und Maschinenbau.
Die Einigung zwischen der EU und den USA auf ein Handelsabkommen beendet zwar den monatelangen Zollstreit, stellt aber Sachsen-Anhalts Exportwirtschaft vor erhebliche Herausforderungen. Die USA sind mit einem Exportvolumen von 896 Millionen Euro der wichtigste Handelspartner außerhalb der EU für das Bundesland.
15 Prozent auf fast alles - die Details des Abkommens
Das am 27. Juli 2025 verkündete Abkommen sieht einen einheitlichen Zollsatz von 15 Prozent für die überwiegende Mehrheit der EU-Ausfuhren in die USA vor. Ausnahmen gibt es nur für strategische Produkte wie Flugzeuge, bestimmte Chemikalien und Halbleiterausrüstung, die zollfrei bleiben. Für Stahl und Aluminium bleiben sogar die bisherigen 50-Prozent-Zölle bestehen.
Im Gegenzug verpflichtet sich die EU zu Energiekäufen im Wert von 750 Milliarden US-Dollar und Investitionen von 600 Milliarden US-Dollar in den USA. "Das ist ein bitteres Ergebnis", kommentieren Wirtschaftsvertreter die Einigung.
Chemie und Maschinenbau besonders betroffen
Die Auswirkungen auf Sachsen-Anhalts Wirtschaft sind beträchtlich. Obwohl die USA "nur" 4,2 Prozent der Gesamtexporte des Landes ausmachen, sind sie als wichtigster Exportmarkt außerhalb der EU von strategischer Bedeutung.
Besonders hart trifft es die Chemische Industrie, das Rückgrat der sachsen-anhaltischen Exportwirtschaft. Mit einer Exportquote von 52 Prozent und einem Auslandsumsatz von 4,83 Milliarden Euro im Jahr 2023 ist die Branche stark vom internationalen Handel abhängig. Die 66 Betriebe mit ihren 12.500 Beschäftigten müssen nun mit erheblichen Wettbewerbsnachteilen rechnen.
Auch der Maschinenbau mit seiner 48-prozentigen Exportquote steht vor großen Herausforderungen. Die Branche erwirtschaftete 2023 einen Auslandsumsatz von 1,20 Milliarden Euro und muss nun ihre Kalkulationen für den US-Markt grundlegend überdenken.
134 Millionen Euro Umsatzverlust drohen
Wirtschaftsexperten prognostizieren, dass 15 Prozent Zoll zu etwa 15 Prozent weniger Exporten in die USA führen werden. Für Sachsen-Anhalt bedeutet dies potenzielle Umsatzverluste von etwa 134 Millionen Euro bei den direkten US-Exporten.
"Der Zoll-Deal wird auch die Wirtschaft in Ostdeutschland hart treffen", warnt IWH-Ökonom Reint Gropp. Obwohl mitteldeutsche Firmen weniger exportieren als westdeutsche, sind ihre vielen Zuliefererbeziehungen gefährdet. Dies könnte zu Arbeitsplatzverlusten in der exportorientierten Industrie führen.
Zulieferer in der Zwickmühle
Besonders problematisch ist die Situation für die 260 Unternehmen, die als Zulieferer für VW, BMW und Opel tätig sind. Diese Betriebe sind indirekt betroffen, da ihre Abnehmer höhere Kosten für US-Exporte tragen müssen. Die Automobilhersteller könnten gezwungen sein, ihre Lieferketten zu überdenken und möglicherweise Aufträge zu reduzieren.
Die Metallerzeugung und -bearbeitung, die mit 53,4 Prozent die höchste Exportquote aller Industriebranchen in Sachsen-Anhalt aufweist, steht ebenfalls vor erheblichen Herausforderungen. Der Sektor erwirtschaftete 2023 einen Auslandsumsatz von 2,34 Milliarden Euro.
Strukturelle Anpassungen unvermeidlich
Die bereits schwächelnde Exportentwicklung in Sachsen-Anhalt wird durch die Zölle weiter verschärft. 2024 gingen die Exporte bereits um 1,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück. Die neuen Zölle werden diesen negativen Trend verstärken.
Sachsen-anhaltische Unternehmen werden verstärkt alternative Märkte erschließen müssen. Die Abhängigkeit von den USA als wichtigstem Exportziel außerhalb der EU zwingt die Unternehmen, ihre Exportstrategien zu überdenken. Gleichzeitig müssen sie in Effizienzsteigerungen und Produktinnovationen investieren, um die durch die Zölle entstehenden Kostennachteile zu kompensieren.
Langfristige Folgen für den Standort
Die reduzierten Exportmöglichkeiten in die USA könnten die Attraktivität Sachsen-Anhalts als Produktionsstandort für US-orientierte Unternehmen verringern. Dies betrifft insbesondere geplante Neuansiedlungen und Erweiterungsinvestitionen. Seit 1991 haben US-amerikanische Investoren bereits über 2,5 Milliarden Euro in Sachsen-Anhalt investiert - diese langfristigen Wirtschaftsbeziehungen stehen nun auf dem Prüfstand.
Paradoxerweise könnte die Krise aber auch Chancen für Innovation und Marktdiversifizierung bieten. Unternehmen, die es schaffen, neue Absatzmärkte zu erschließen und ihre Wettbewerbsfähigkeit durch technologische Fortschritte zu stärken, könnten gestärkt aus der Krise hervorgehen.
Häufig gestellte Fragen
Welche Branchen in Sachsen-Anhalt sind am stärksten von den US-Zöllen betroffen? Die Chemische Industrie, der Maschinenbau und die Metallerzeugung sind aufgrund ihrer hohen Exportquoten zwischen 48 und 53 Prozent besonders stark betroffen. Auch die 260 Automobilzulieferer leiden indirekt unter den Zöllen.
Wie hoch sind die erwarteten Umsatzverluste für Sachsen-Anhalt? Bei einem Exportvolumen von 896 Millionen Euro in die USA und der Annahme eines Rückgangs um 15 Prozent drohen Umsatzverluste von etwa 134 Millionen Euro. Hinzu kommen indirekte Verluste durch Zuliefererbeziehungen.
Gibt es auch positive Aspekte des Zoll-Deals? Der Deal verhindert einen noch härteren Handelskrieg. Zudem bleiben strategische Produkte wie bestimmte Chemikalien und Halbleiterausrüstung zollfrei. Dies könnte Unternehmen motivieren, sich auf diese Bereiche zu spezialisieren.
Welche Alternativen haben betroffene Unternehmen? Unternehmen können neue Märkte erschließen, ihre Produktpalette anpassen oder durch Innovation und Effizienzsteigerung die Mehrkosten kompensieren. Eine stärkere Fokussierung auf den EU-Binnenmarkt ist ebenfalls möglich.
Wie lange gilt das Zollabkommen? Die genaue Laufzeit des Abkommens wurde noch nicht öffentlich bekannt gegeben. Erfahrungsgemäß sind solche Handelsabkommen jedoch auf mehrere Jahre angelegt und können bei Bedarf nachverhandelt werden.