19. August 2025 – Radio Brocken

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Dresscode im Job: Rechte bei Kleidung, Tattoos & Piercings

Wann dürfen Arbeitgeber Kleidervorschriften machen? Arbeitsrechtsexperten erklären die Grenzen bei Dresscode, Tattoos und Piercings am Arbeitsplatz.

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Die Diskussion um den perfekten Büro-Look beschäftigt Millionen Beschäftigte täglich. Während manche Unternehmen strenge Kleiderordnungen durchsetzen, herrscht anderswo lockere Atmosphäre. Doch wo liegen eigentlich die rechtlichen Grenzen? Arbeitsrechtsexperten erklären, wann Arbeitgeber beim äußeren Erscheinungsbild ihrer Mitarbeiter mitbestimmen dürfen – und wo das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten Vorrang hat.

Kleidervorschriften: Zwischen Direktionsrecht und Persönlichkeitsschutz

Grundsätzlich besitzen Arbeitgeber ein Direktionsrecht, das ihnen erlaubt, Arbeitsabläufe und -bedingungen zu bestimmen. Bei der Kleidung stehen jedoch zwei wichtige Rechtsprinzipien im Spannungsfeld: das Weisungsrecht des Arbeitgebers und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit.

"Es geht immer um eine Abwägung im Einzelfall", erklärt Till Bender, Jurist beim Rechtsschutz des Deutschen Gewerkschaftsbunds. Besonders eindeutig sind die Regeln bei Sicherheits- und Hygienekleidung. Von der sterilen OP-Kleidung im Krankenhaus bis zum Schutzhelm auf der Baustelle gibt es hier wenig Interpretationsspielraum. Der Arbeitgeber darf solche Maßnahmen anordnen und muss die entsprechende Ausrüstung zur Verfügung stellen.

Auch im Einzelhandel oder der Gastronomie sind einheitliche Dienstkleidungen zulässig, um Mitarbeitende für Kunden erkennbar zu machen. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf bestätigte kürzlich die Kündigung eines Monteurs, der sich weigerte, die vorgeschriebene rote Arbeitshose zu tragen und stattdessen in schwarzer Kleidung erschien.

Gleichbehandlung als Grundprinzip

Bei allen Kleidervorschriften muss das Prinzip der Gleichbehandlung gewahrt bleiben. Frauen können nicht ausschließlich zum Tragen von Röcken verpflichtet werden, während männlichen Kollegen der Rock nicht untersagt werden darf, wenn dieser zur allgemeinen Dienstkleidung gehört.

Kundenkontakt entscheidet über Dresscode-Strenge

In Unternehmen ohne einheitliche Dienstkleidung hängt vieles vom konkreten Arbeitsplatz ab. "Man muss immer schauen, welches konkrete Interesse der Arbeitgeber verfolgt – und ob dieses schwerer wiegt als das Recht der Beschäftigten auf Selbstbestimmung", betont Volker Görzel, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Köln.

Beschäftigte mit direktem Kundenkontakt müssen mit strengeren Vorgaben rechnen. Zerrissene Jeans, auffällige Piercings oder unkonventionelle Haarfarben können hier im Einzelfall untersagt werden, sofern dies sachlich begründet wird. Anders verhält es sich bei Tätigkeiten ohne Publikumsverkehr: "Einem Sachbearbeiter im Großraumbüro wird man die kurze Hose im Sommer kaum verbieten können", so Görzel.

Tattoos und Piercings: Persönlichkeitsrecht vs. Unternehmensimage

Tätowierungen, Piercings und außergewöhnliche Frisuren fallen unter das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Einschränkungen sind nur zulässig, wenn das Erscheinungsbild dem Unternehmensansehen nachweislich schadet. Dabei spielt der Arbeitskontext eine entscheidende Rolle.

In konservativen Branchen wie dem Bankwesen, der gehobenen Hotellerie oder bei Behörden können sichtbare Tätowierungen problematisch werden – besonders wenn sie großflächig, provokant oder thematisch bedenklich sind. Bei Sicherheitsfragen, etwa langen Haaren in der Produktion, lassen sich meist praktikable Kompromisse finden.

Rechtliche Konsequenzen bei Verstößen

Wer gegen konkrete Kleidervorschriften oder Sicherheitsregeln verstößt, muss mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen. Abmahnungen sind zulässig, wenn beispielsweise OP-Personal mit langen, lackierten Fingernägeln arbeitet oder Küchenkräfte ohne Haarnetz erscheinen. Bei wiederholten Verstößen kann sogar eine Kündigung ausgesprochen werden.

Häufig gestellte Fragen zum Dresscode am Arbeitsplatz

Kann mein Arbeitgeber mir vorschreiben, was ich privat trage?

Nein, außerhalb der Arbeitszeit haben Arbeitgeber keinerlei Einfluss auf Ihre Kleiderwahl. Das Direktionsrecht beschränkt sich ausschließlich auf die Arbeitszeit und den Arbeitsplatz. Auch bei Betriebsfeiern oder Firmenevents gelten nur die dort spezifisch kommunizierten Dresscode-Regeln.

Was kann ich tun, wenn ich die Kleiderordnung unfair finde?

Suchen Sie zunächst das offene Gespräch mit Ihrem Vorgesetzten und hinterfragen Sie sachlich die Begründung. Oft lassen sich Kompromisse finden. Bei anhaltenden Konflikten können Betriebsrat, Gewerkschaft oder ein Arbeitsrechtsanwalt unterstützen. Dokumentieren Sie alle Gespräche und Entscheidungen schriftlich.

Muss mein Arbeitgeber die Dienstkleidung bezahlen?

Ja, wenn der Arbeitgeber spezielle Arbeitskleidung vorschreibt, muss er diese zur Verfügung stellen und die Kosten tragen. Das gilt besonders für Sicherheits- und Hygieneausrüstung. Bei allgemeinen Dresscode-Vorgaben wie "Business-Kleidung" trägt jedoch der Arbeitnehmer die Kosten für seine Garderobe.

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