17. August 2025 – dpa Nachrichten
Steigende Lebenshaltungskosten, persönliche Schicksalsschläge - in eine finanzielle Notlage kann jeder schnell kommen. Die Beratungsstellen sind gefragt.
Die Zahl der Insolvenzen in Sachsen-Anhalt hat zuletzt deutlich zugenommen - die entsprechenden Beratungsstellen verzeichnen einen hohen Zulauf. Die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt etwa zählte allein für 2024 gut 770 Termine bei der Insolvenz- und Sozialberatung, hieß es in Halle. Die Zahlen stiegen seit Jahren, sagte Elke Eigendorf, die die Schuldner- und Insolvenzberatung der Verbraucherzentrale leitet.
Gefragt nach den Gründen, zeichnete Eigendorf das Bild eines Gerüsts, das zusammenbreche: Jemand baue ein Haus, rechne gut durch, nehme einen Kredit auf. Komme aber eine Krankheit dazu, werde ein Partner arbeitslos oder stehe eine Scheidung an, gehe der Plan oft nicht mehr auf. Gestiegene Lebenshaltungskosten trügen ebenfalls zur Situation bei.
Jüngsten Zahlen des Statistischen Landesamts ist die Zahl der beantragten Insolvenzverfahren in Sachsen-Anhalt im ersten Quartal dieses Jahres deutlich gestiegen. Mit 856 Insolvenzanträgen war es rund ein Fünftel mehr als im Vorjahreszeitraum. 625 Anträge bezogen sich auf Verbraucherinsolvenzen. Daneben gibt es auch Unternehmensinsolvenzen. Und auch schon von 2023 zu 2024 war die Gesamtzahl der Insolvenzanträge um 6,6 Prozent auf zusammen 3.220 gestiegen.
Überschuldete Verbraucherinnen und Verbraucher haben mit der Privat- oder Verbraucherinsolvenz die Möglichkeit, sich in der Regel innerhalb von drei Jahren von ihrem Schuldenberg zu befreien.
Beim Landesverwaltungsamt rechneten die Träger der im Jahr 2024 noch 24 Insolvenzberatungsstellen etwa 3.560 Beratungsfälle ab, wie eine Sprecherin auf Nachfrage erklärte. 2023 waren es 3.620 gewesen. Die ausgezahlte Fördersumme für die Beratungsstellen betrug 2024 den Angaben zufolge rund 1,92 Millionen Euro. Gemäß dem Haushaltsplan des Landes stehen für das laufende Jahr gut 2,46 Millionen Euro zur Verfügung, für 2026 sind gut 2,51 Millionen Euro veranschlagt. Aktuell gebe es noch 22 Insolvenzberatungsstellen, die beim Landesverwaltungsamt Geld beantragen, zwei weniger als noch 2024.
Die Caritas im Bistum Magdeburg betreibt zwei entsprechende Beratungsstellen in Halberstadt und Wittenberg. Wenn Sprecher Stefan Zowislo Betroffenen einen Rat gibt, dann diesen: «Kommen Sie frühzeitig!» Das Thema sei schambesetzt, aber die erfahrenen Kräfte könnten helfen. Die Wartezeit liege derzeit bei 4 bis 5 Wochen, so Zowislo. «Feuerwehr-Termine», wie er Fälle nennt, in denen etwa der Strom abgestellt wird, würden vorgezogen. Dann könne es schnellere Zuschüsse geben. Die Berater müssten sich aber in jedem Fall durch eine Menge Unterlagen wühlen. Zunehmend kämen auch mehrere Problemlagen zusammen.
In den Beratungsstellen der AWO müssen die Ratsuchenden im Durchschnitt sogar rund 8 bis 10 Wochen auf einen Erstberatungstermin warten. «Die Wartezeiten können je nach Standort und saisonalen oder personellen Engpässen jedoch stark variieren und in Einzelfällen bis zu sechs Monate betragen», erklärte eine Sprecherin. Die Wartezeiten seien in den vergangenen Jahren spürbar gestiegen. Wie bei der Caritas wurde hier als Grund genannt, dass die Fälle komplexer werden und entsprechend mehr Zeit nötig sei.
«In dringenden Notfällen - etwa bei drohender Wohnungskündigung, Energiesperre oder fehlender Krankenversicherung - werden nach Möglichkeit kurzfristig Sondertermine außerhalb der regulären Beratungszeiten angeboten», hieß es weiter.
Bis ein Fall aber erledigt ist, dauert es immer länger, so die AWO. Aus einer Beratungsstelle hieß es: «Konnten bis 2019 im Durchschnitt für die Insolvenzbearbeitung vom Erstgespräch bis zum Ausfüllen der Antragsunterlagen für die Insolvenzeröffnung circa 8 bis maximal 12 Wochen einkalkuliert werden, sind wir heute bei Bearbeitungszeiten von durchschnittlich einem dreiviertel Jahr angekommen.» Trotz steigender Anfragen gebe es beschränkte beziehungsweise gleichbleibende Personalkapazitäten.