27. August 2025 – dpa Nachrichten
In einigen Orten Sachsen-Anhalts droht das Aus für Kindergärten – nicht aus Sparzwang, sondern weil die Kinder fehlen. Viele Kommunen stellen sich darauf ein - und arbeiten an neuen Konzepten.
Obwohl in Sachsen-Anhalt immer weniger Kinder geboren werden und die Auslastungen in den Kitas zurückgehen, verzichten viele Kommunen im Land derzeit noch auf die Schließung von Kindergärten. Allerdings blicken viele mit Sorge auf die Entwicklung der kommenden Jahre und reagieren bereits mit Maßnahmen wie der Reduzierung von Stunden, der Aufschiebung von Sanierungen oder der Einführung neuer pädagogischer Konzepte, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur dpa unter den Kommunen in Sachsen-Anhalt zeigt. Einige Städte und Gemeinden mussten allerdings zuletzt bereits Kitas schließen oder werden dies demnächst tun.
Einige Kitas müssen geschlossen werden
So wurde Anfang August unter anderem in Naumburg eine Kita mit 15 Plätzen geschlossen. Demnächst sollen zwei Kitas in Osterwieck (Landkreis Harz), sowie jeweils eine in Oranienbaum-Wörlitz (Landkreis Wittenberg) und in Wernigerode geschlossen werden. In Gardelegen (Altmarkkreis Salzwedel) stehen nach Angaben der Verwaltung ebenfalls zwei Einrichtungen vor dem Aus. Hier muss der Stadtrat noch entscheiden.
In der Landeshauptstadt Magdeburg sind nach einer Vorlage des Stadtrats derzeit vier Standortaufgaben anvisiert. In der Gemeinde Goldene Aue (Landkreis Mansfeld-Südharz) drohen ebenfalls in den nächsten ein bis drei Jahren Kita-Schließungen. Zwei Einrichtungen seien hier im Gespräch, teilte die Verbandsgemeinde mit. Darüber hinaus teilten mehrere Kommunen mit, dass eine Kita-Schließung nicht ausgeschlossen sei, wenn sich der deutliche Geburtenrückgang weiter fortsetze.
Niedrigste Geburtenzahl seit der Wende
Den Geburtenrückgang gaben fast alle der 46 Gemeinden, die auf die Anfrage antworteten, als Herausforderung an. Vergangenes Jahr sank die Geburtenrate in Sachsen-Anhalt nach Angaben des Statistischen Landesamtes das achte Jahr in Folge. Demnach wurden 2024 etwa 12.500 Kinder geboren, was einen neuen Tiefststand nach der Wende darstellt.
In einer Vorlage für den Magdeburger Stadtrat nennt die Verwaltung als mögliche Gründe die Häufung vielfältiger Krisen. Dazu zähen die Corona-Pandemie, gestiegene Inflation sowie Kriege, die zu einer Verunsicherung und entsprechender Familienplanung führten.
Allerdings sind die Kommunen im Land sehr unterschiedlich von den demografischen Entwicklungen betroffen. So sank in Lutherstadt Wittenberg die Auslastung der Krippenplätze in den vergangenen zehn Jahren von rund 82 Prozent auf knapp 58 Prozent. Auch in den Kitas in Bad Schmiedeberg liegt die Auslastung zwischen 46 und 69 Prozent. Andere Kommunen berichteten dagegen von einer sehr guten Auslastung.
Neue Konzepte führen zu vollen Wartelisten
So liegt nach Angaben der Gemeinde Seegebiet Mansfelder Land die Auslastung der fünf kommunalen Kindertagesstätten durchschnittlich bei 95 Prozent. Auch in Zeitz liege die Auslastung bei 86 Prozent. Trotz leicht rückläufiger Geburtenzahlen seien die angebotenen Betreuungsplätze aufgrund der hohen Zuwanderung noch sehr gut nachgefragt, so die Stadt.
Neben einer Stabilisierung der Kinderzahlen durch Zuzug teilten einige Kommunen mit, dass auch besondere pädagogische Konzepte dazu führten, dass Kitas eine hohe Nachfrage auch über das direkte Umfeld hinaus hätten. So betreuten die Kitas in Thale (Landkreis Harz) eine Vielzahl von Kindern aus anderen Wohnsitzgemeinden. In Allstedt sei in einer der Kitas erfolgreich eine Waldgruppe initiiert worden, die inzwischen bereits Wartelisten habe. Und in Biederitz (Jerichower Land) setze die Gemeinde ihren Fokus verstärkt auf die Öffentlichkeitsarbeit - vor Ort bei Festen und in den sozialen Netzwerken.
Einrichtungen bauen Personal ab oder kürzen Stunden
Die Lutherstadt Eisleben teilte mit, dass man einige Einrichtungen an den veränderten Bedarf der Familien anpasse. Gerade sogenannte «Brennpunktkitas» würden daher zu Familienzentren mit erweiterten Angeboten angepasst, um die Einrichtungen zukunftssicher aufzustellen. Es gehe darum, die vorhandene Infrastruktur so weit wie möglich zu erhalten - auch bei sinkenden Kinderzahlen, sagte eine Stadtsprecherin.
Um Schließungen zu vermeiden, setzen andere Kommunen derzeit auf Anpassungen beim Personal. In Schkopau wurden Erzieherinnen vom Krippen- in den Hortbereich versetzt, die wöchentliche Arbeitszeit gesenkt und Praktikumsstellen halbiert. Auch in der Goldenen Aue und in Naumburg reagierten Träger mit Stundensenkungen, um Kündigungen zu vermeiden. In Sandersdorf-Brehna stoppte die Kommune Neueinstellungen, befristete Arbeitsverträge liefen aus.
«Möglichkeit, die Betreuungsqualität zu verbessern»
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Sachsen-Anhalt mahnte angesichts entsprechender Diskussionen im Landtag bereits vor einigen Wochen an, nicht nur unter finanziellen Aspekten auf die Kitas im Land zu schauen. «Frühkindliche Bildung braucht Stabilität, nicht Stillstand. Die gute Struktur der Kita-Landschaft darf nicht verspielt werden», sagte Gewerkschaftssekretär Carsten Sievers. Statt Stellen zu kürzen, müsse der Rückgang der Kinderzahlen genutzt werden, um die Betreuungsschlüssel zu verbessern.
«Wir sehen sinkende Kinderzahlen aber auch als eine Möglichkeit, die Betreuungsqualität zu verbessern», teilte die Gemeinde Hettstedt mit. Kitas seien nicht nur Orte der Betreuung, sondern auch wichtige soziale Einrichtungen. «Gerade in kleineren Orten würde eine Schließung den Verlust dieses zentralen Treffpunktes bedeuten und die Attraktivität und Lebensqualität dieser Region stark gefährden.»