Der siebte Prozesstag gab Aufschluss über das soziale Umfeld sowie das Weltbild des Attentäters. Insgesamt sechs Zeugen waren geladen.
Hatte die Mutter des Attentäters eine Vorahnung?
Als erste Zeugin trat am siebten Prozesstag die Direktorin der Grundschule auf, an der die Mutter des Angeklagten arbeitete. Sie beschreibt die Mutter als zuverlässige und erfahrene Kollegin und sei dennoch erschüttert, wie der Sohn einer Ethik-Lehrerin eine solche Tat begehen konnte. Von ihrem Sohn erzählte sie der Direktorin stets stolz. Gegenüber anderen Kollegen galt sie jedoch als verschlossen.
Als die Mutter wegen ihres Suizidversuches ins Krankenhaus kam, bastelten ihre Schüler eine Karte. Die Direktorin beschreibt in diesem Zusammenhang, dass sie bereits im Schuljahr 2018/19 einen Stimmungswechsel bei der Mutter des Angeklagten beobachtet habe. Gegenüber einer anderen Lehrerin soll die Mutter des Angeklagten eine möglicherweise verräterische Bemerkung gemacht haben: „Ich habe große Sorgen, dass etwas Schlimmes passiert.“ In einem anderen Gespräch habe sie ihren Sohn als „Autisten“ bezeichnet. Die rechte Einstellung des Angeklagten sei ihr aus Gesprächen mit dessen Mutter bekannt gewesen, bestätigt die Zeugin auf Nachfrage. Zudem soll der Angeklagte den Koran gelesen haben.
Datenträger-Auswertung: Mehr als 1.000 Fotos und Videos mit antisemitischen und rassistischen Inhalten
Bis zu 270 Beamte des Bundeskriminalamtes waren zu Beginn mit der Aufklärung des Halle-Attentats beschäftigt. Auch Europol war involviert.
Ein Kriminalbeamter des BKA präsentierte als zweiter Zeuge des Tages die Auswertung der Datenträger des Angeklagten. Einige Daten waren bereits gelöscht, konnten jedoch wiederhergestellt werden. Über 1.000 Fotos und Videos mit antisemitischen und rassistischen Inhalten wurden sichergestellt. Darunter auch Bilder vom "Christchurch Anschlag", die die Ansichten des Attentäters zeigen. Zudem wurden das Manifest sowie rechtsextremistische Musik auf dem USB Stick gefunden.
Alle Inhalte geben Einblick in das Weltbild des Attentäters. Auf den Bildern sind unter anderem Juden, die in eine Gaskammer geführt werden, Hakenkreuze und eine japanische Anime-Figur, die auf einem Leichenberg steht, während im Hintergrund eine Israelflagge brennt, zu sehen.
Einige Datenträger konnten bis heute nicht entschlüsselt werden. Der Angeklagte verweigerte die Herausgabe der entsprechenden Passwörter.
Online-Gaming: Attentäter spielte Ego-Shooter und einen Waffensimulator
Eine Sachbearbeiterin für Internetkriminalität des BKA erläuterte, dass der Attentäter online Ego-Shooter, u. a. Counter Strike, spielte. Allein mit Counter Strike verbrachte der Angeklagte insgesamt 186 Stunden. Außerdem nutzte er den Waffen-Simulator "World of Guns", bei welchem der User Waffen zerlegen und wieder zusammenbauen muss. Chat-Daten konnten nicht untersucht werden, da diese nur zwei Wochen gespeichert werden. Alle Spiele, die er nutzte, waren legal und hatten keinen rechtsextremistischen Hintergrund.
Aber: Der Angeklagte war auf sogenannten Imageboards, anonymen Internetforen, aktiv. Die Nutzer der Foren sind von der Polizei nicht zu identifizieren. Laut BKA-Expertin werden in den dortigen Gruppen verschiedene Themen diskutiert - auch welche mit rechtsextremen, antisemitischen und gewaltverherrlichenden Inhalten. Ein weiterer Kriminalkommissar vom BKA schildert, dass man beim Angeklagten eine Nähe zu "Incels" festgestellt habe, sprich zu Menschen, die unfreiwillig sexuell inaktiv sind und die Schuld dafür u. a. erfolgreichen Männern und auch Verschwörungen geben. Die Nebenklage-Anwälte lassen Zweifel an der Qualifikation der BKA-Expertin erkennen.
Christchurch-Attentäter war für Angeklagten großes Vorbild
Der letzte Zeuge des Tages ist ein Kriminalkommissar vom LKA. Er hat Dokumente ausgewertet, die der Attentäter selbst erstellt hatte. Darunter auch ein Dokument, in dem sich der Angeklagte selbst interviewte. Darin ging es um die Flüchtlingswelle von 2015. Er konnte nicht verstehen, dass es keinen Aufstand gegen die Flüchtlinge gab. Nach dem Attentat in Christchurch (Neuseeland) habe er dann einen Weg gesehen, selbst aktiv zu werden.